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TCM und nachhaltige Ernährung

Ariane BroermannEvelyne Huber hat Frau Broermann, diplomierte 5-Elemente-Ernährungsberaterin nach der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) über die Ziele der SDGs interviewt.

Evelyne Huber: Was sollten wir bei der Umsetzung der Ernährungsüberlegungen der SDGs aus der Sicht der TCM bedenken? Wie denkt die TCM über die Ziele nach Ernährungssicherheit, nach einer besseren Ernährung und nach einer nachhaltigen Landwirtschaft?

Ariane Broermann: Aus Sicht der TCM begrüße ich diese, da wir sehr naturnah sind und die Ernährung als Präventionsmaßnahme sehen, um unseren Körper in Balance zu halten und um uns selber zu helfen. Wenn ich meinen Körper gemäß der Jahreszeit und der Altersphase das gebe, was er gerade braucht, kann ich mir bis in das hohe Alter meine Gesundheit und mein Wohlbefinden erhalten. Dazu ist es aber nötig, Stichwort Ernährungssicherheit, dass wir wieder den richtigen Umgang mit Nahrungsmittel erlernen und die Freude an der frischen Zubereitung zurück gewinnen. Und auch wieder lernen unseren Körper wahrzunehmen und zu unterscheiden, was ihm gut tut und was ihm nicht gut tut.

Was bedeutet eine „gute“ oder sogar „bessere“ Ernährung für Sie?

Wir glauben alle, wir können uns keine gute Ernährung leisten, wenn wir nur wenig Geld haben, aber das stimmt so nicht. Wenn ich mir eine Packung Urgetreide oder Hülsenfrüchte, die in Österreich angebaut werden, kaufe, dann habe ich einfach hochwertiges, pflanzliches Protein und hochwertiges Getreide, das lokal produziert wird. Ich bekomme aus einer Packung Linsen oder Reis einige Portionen, die mich mehrere Tage satt machen. Probieren Sie doch mal statt Kichererbsen Bio-Platterbsen, die beispielsweise im Waldviertel angebaut werden. Wenn ich dann noch regionales und saisonales Gemüse dazu kaufe -ein Bund Radieschen oder Kohlrabi aus österreichischer Produktion kosten z.B. jeweils unter 1 EUR – dann habe ich eine hochwertige Mahlzeit, die mich lange satt hält. Gemüse kann ich für wenig Geld bekommen, eben weil es regional und saisonal und obendrein biologisch ist. Geld sollte also keine Ausrede mehr sein, dass ich mich nicht gesund ernähren kann.

Was ist aus Ihrer Sicht für eine ganzheitliche und nachhaltige Ernährung notwendig?

Aus der TCM-Sicht sind die Nahrungsmittel, die die Natur in der jeweiligen Jahreszeit hervorbringt genau das, was der Körper auch braucht. Erdbeeren beispielsweise, die importiert werden müssen und einen langen Anreiseweg haben, brauche ich im Winter nicht und sie tun mir auch nicht gut.

Warum nicht?

Weil sie aus TCM-Sicht – wie übrigens auch alle exotischen Zitrusfrüchte – kühlen. Sie fördern die Schwächung des Immunsystems, sodass ich mir erst recht einen Schnupfen oder eine Grippe einfangen kann. Besser ist es, sich im Winter zu wärmen, keine Zitrusfrüchte zu essen, die brauche ich in der Sommerhitze, wenn ich mich kühlen muss. Im Winter brauche ich etwas Warmes und Gekochtes. Das Vitamin C kann ich genauso aus dem heimischen Kohl beziehen. Im Winter ist nicht so viel Gemüse zur Verfügung und zur Auswahl, da brauchen wir aber auch mehr schwere Sachen, die eingekocht sind, wie zum Beispiel Schmortöpfe, die uns Wärme und Energie geben. In der TCM auch gerne mit Bio-Fleisch.

Wie sieht es mit Fleisch aus der Massentierhaltung aus?

Die TCM steht immer für biologische Produkte und das heißt, unter natürlichen und artgerechten Bedingungen aufgezüchtet. Also keine Massentierhaltung. Weil ich nur optimale Energie erhalte, wenn ich mir auch gute Energie zuführe. Und dazu zählt alles, was so natürlich wie möglich ist. Also zum Beispiel auch keine Eier aus Legebatterien. Je näher ein Nahrungsmittel der Natur ist, desto besser kann es der Körper verwerten. Je weiter industriell verarbeitet ein Nahrungsmittel ist, desto schlechter kann es der Körper aufnehmen, verwerten und verstoffwechseln. Der Körper erkennt es dann gar nicht mehr als Nahrungsmittel. Es ist im Grunde ganz simpel: in einem Lebens-Mittel sollte noch Leben enthalten sein. Klar, sonst brauche ich es nicht essen, weil es mir nichts mehr bringt. Es geht also immer um das Qi, das ist die Energie, die ich mir zuführe. Was wir heute oft vergessen ist, dass wir nur zwei Quellen haben, die uns erhalten: Die Luft, die wir atmen und die Nahrung, die wir zu uns nehmen. Deswegen auch kurze Transportwege. Je länger die Transportwege und je länger die Nahrung liegt, desto mehr Energie und Vitalstoffe verlieren sie.

Wie sieht es dann mit Fertigprodukten aus? Sind die aus der Sicht der TCM leere Kalorien?

Ohne den Fast Food Produzenten – es gibt nämlich auch bereits Bio-Fertigprodukte – etwas Schlechtes nachsagen zu wollen: Eine frisch zubereitete Mahlzeit, in Ruhe genossen und nicht schnell im Vorbeigehen zu sich genommen, hat einfach einen hohen Nähr-Wert.

Was heißt ein hoher Nähr-Wert?

So naturbelassen wie möglich, weil die Natur uns alles zur Verfügung stellt, was wir brauchen. Hochwertige Qualität, möglichst kurz gelagert, nicht tiefgekühlt und frisch und schonend zubereitet. Dadurch steigere ich den Nährwert und erhalte mir die Vitamine. Und wer die Möglichkeit hat: auf der Fensterbank die Kräuter oder im Garten das Gemüse selbst anbauen. Da kann ich mir sicher sein, dass es wirklich ein natürliches Lebensmittel ist.

Nochmal zum Thema Ernährungssicherheit im Sinne der Nachhaltigkeit, was sollten wir noch bedenken?

Ernährungssicherheit heißt, dass ich möglichst von Produzenten kaufe, die ich mir selbst anschauen kann und weiß, welche Qualität sie herstellen. Eben sehr wachsam und aufmerksam zu sein und sich über das, was ich zu mir nehme zu informieren – das geht heutzutage auch online. Sich aber gleichzeitig nicht verrückt machen zu lassen und Angst zu haben oder die Ernährung auf nur drei Nahrungsmittel einzuschränken. Es gibt so viele Menschen, die vor lauter Angst etwas Ungesundes zu essen nur mehr sehr eingeschränkt essen. Es gibt sogar eine eigene Bezeichnung dafür, Orthorexia nervosa, sie zählt mittlerweile zu den Essstörungen.

Empfehlen Sie die Bio-Labels und Zertifikate weiter?

Den Bio-Zertifikaten und Siegeln sollten wir vertrauen. Die regionalen Bio-Produzenten meinen es ernst. Und die Entwicklung und Verbreitung von Fair-Trade Produkten, Kaffee oder Tee z.B. gefällt mir auch gut. Und zum Thema Nachhaltigkeit wünsche ich mir, wir würden genau diese Betriebe unterstützen, damit wir uns gar nicht mehr die Frage stellen müssen, was wir noch essen können und was wirklich gut für unseren Körper ist. Unsere Großmütter haben das Bio gar nicht gebraucht, die haben ja nur Bio bekommen und verkocht. Es ist schon traurig, dass wir überhaupt den Zusatz „Bio“ brauchen, für etwas, das ganz natürlich ist und eigentlich vom Ernährungsprozess her normal sein sollte.

Wie kann Kochen im Sinne von Ressourcenstärkung verstanden werden?

Wenn ich Kochen als meditativen Vorgang gestalte und mit allen Sinnen dabei bin, kann ich auch meine Seele nähren und ihr einfach eine Auszeit gönnen, gleichzeitig kann sich der Körper regenerieren und wieder Kraft schöpfen. Das ist so als würde ich einen Anker in den schnellen Lebensfluss werfen. Ich gebe meinem Körper die Chance und vor allem auch die Zeit, um das, was er bekommt, zu verarbeiten. Ich stärke damit nicht nur meine Verdauungskraft.

Und wie sieht es mit dem Verpackungsmaterial aus?

Wenn wir selber kochen, wie es die TCM vorschlägt, kommen wir mit viel weniger aus. Frischgekochtes lässt sich zu Hause in Glasbehältern für einige Tage aufbewahren. Im Sinne der Nachhaltigkeit ist es natürlich noch besser, wir gehen wieder mit den eigenen Behältern einkaufen und lassen diese im Geschäft befüllen. Damit unterstützen wir die Greissler, die jetzt wieder auftauchen und wieder Ware unverpackt anbieten. Damit unterstützen wir einen Trend in die richtige Richtung.

Wie sieht es da mit der Hygiene aus?

Schauen Sie doch einmal wie viele Rückholaktionen eben wegen Verunreinigungen bei großen Märkten aushängen, da brauche ich bei den Greisslern nicht anfangen über Hygiene und Verunreinigungen zu reden.

Aber bei kleinen Greisslern sind doch das Angebot und die Auswahl geringer?

Ich bin als Kind in fünf Geschäfte gegangen: der Bäcker, der Greissler, die Mühle, das Gemüsekisterl und der Fleischer. Das war auch gesellig, da haben wir uns alle getroffen. Wenn man heute in zwei Geschäfte laufen muss, fühlen wir uns schon genervt. Oder über einen Markt bummeln und gustieren – das macht ja auch Spaß. Die Mühe machen sich heute nur mehr wenige. Auch wenn es unter der Woche nicht machbar ist, so könnten wir uns doch am Wochenende dieser Muße ab und zu wieder hingeben.

Noch eine abschließende Idee, wie kann eine bessere Ernährung gefördert werden?

Indem wir unsere lokalen Anbieter unterstützen. Je mehr wir den großen Anbietern zeigen, dass wir Monokulturen und Massentierhaltung, wie sie heutzutage betrieben werden, nicht wollen, desto mehr Chancen räumen wir der nachhaltigen Landwirtschaft, die sich um eine faire Produktion bemüht, ein und desto mehr können die regionalen Produzenten und Bio-Hersteller unterstützt werden und diese können dann auch günstiger Bio-Produkte anbieten. Und desto schneller können wir wieder den Weg zurück zur Natur gehen und im Einklang mit der Natur leben. Das ist eigentlich das, was die TCM seit tausenden Jahren sagt.

Danke für das Gespräch! Ariane Broermann ist Geschäftsführerin der TCM-Werkstatt, Mail: ariane.broermann@tcmwerkstatt.at, Web: www.tcmwerkstatt.at

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